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2. Rund um den Steinberg
Von K. Rosenow
Landschaftlich mit zu den schönsten Teilen unseres ganzen Pommernlandes gehört unstreitig das Bergland, das sich südlich der Stadt Pollnow
ausbreitet! Hier liegt eine stattliche Erhebung, der Steinberg (234 m). Obgleich er nur wenig aus seiner Umgebung hervortritt, gewährt er
doch eine gute Fernsicht, wie sie selten in Pommern zu finden ist. Ein Besuch zur Sommerszeit lohnt sich. Von Breitenberg aus ist der
Aufstieg nicht mehr sehr beschwerlich.
Bald ist die Höhe erreicht. Im Morgensonnenschein liegt die weite Flur in frischer Pracht und Herrlichkeit vor uns. Zwischen Waldesgrün
blitzen der Große und Kleine Gesorkensee auf. Dahinter folgt in schier unabsehbarer Ferne das weite Gelände mit seinen Bergen und Schluchten,
seinen Ährenfeldern und Wäldern bis zu einer kleinen Spitze, dem sechs Meilen entfernten Gollenturm. Berge verdecken den nahegelegenen,
tief eingebetteten Kaminsee. Dafür schweift aber der Blick nach Osten über den mehr als meilenlangen Spiegel des Papenzinsees mit seinen
wechselvollen Ufern und bewaldeten Werdern. Im Westen sieht man über den Plötschsee, das Radütal, den Niedersee mit seiner Insel hinweg
die Dörfer Drawehn, Hohenborn und Gerfin.
Wem das Glück günstig ist, der erblickt in derselben Richtung die den Vögeln gleichenden, schlanken Flugzeuge der Segelflugstätte Neumühlenkamp.
Im Süden schimmert hinter den roten Dächern zerstreuter Gehöfte das blaue Auge des Vettrinsees.
Vor wenigen Jahrzehnten bot auch noch die nächste Umgebung des Berges ein so schönes Bild, daß man gar nicht wußte, wie man all die Eindrücke
festhalten sollte. Überall ragten Geschiebeblöcke, dicht aneinander gesät, aus dem Erdboden hervor. Laub- und Nadelbäume zwängten sich
zwischen den Steinen hindurch und strebten der Sonne entgegen. Riesige Farnkräuter und blaue Glockenblumen, gelber Besenginster und
feuerrote Pechnelken sproßten überall und vereinigten sich in ihrer Farbenpracht zu einem Bilde unvergleichlicher Schönheit. Erdbeeren,
Blaubeeren und Himbeeren lockten mit ihren Früchten, süßer und harziger Duft umschmeichelte die Sinne.
Von all dieser Pracht des Berges ist heute nur die wunderbare Fernsicht geblieben. Verschwunden ist der Wald mit seinem Vogelsang, seinen
Blumen, Beeren und Kräutern, verschwunden sind die Findlinge. Heidekraut und Brombeergestrüpp bedecken die kahle Höhe.
Wie konnte das geschehen? Davon gab noch vor mehr als zwei Jahrzehnten ein seltsamer Zementbau in einer etwas abseits gelegenen Schlucht
am Fuße des Berges Kunde. Wie ein graues Gespenst ragte dieses stehengebliebene Schotterwerk in der Einsamkeit in die Höhe. Zwei elektrisch
betriebene Steinzerknacker hatten in kurzer Zeit aus dem Paradies eine Einöde gemacht. Kriegsgefangene Russen hatten das Werk der Zerstörung
vollenden helfen. Schon sind aber Kräfte tätig, um frühere Fehler wieder gut zu machen. Bald wird uns hier ein freundlicheres Bild der Natur
begrüßen.
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Auch geologisch ist diese Gegend sehr interessant. Ein gewaltiger Gletscher von Fennoskandia hatte einst vor wohl 20 000 und mehr Jahren
diese gewaltige Blockpackung auf dem Steinberge zusammengetragen. Auch der Papenzinsee ist ein Geschenk der Eiszeit. Die Schmelzwasser des
Gletschers umspülten die Kuppen der Grundmoräne, sie überfluteten flache Erhebungen, gruben tiefe Kessel aus und schmiegten sich den
umliegenden Kuppen an. So entstanden im See Inseln, Tiefen und Untiefen, Buchten und Landzungen. Daher mißt man im Papenzinsee an einigen
Stellen Tiefen bis zu 45 m, während an anderen Stellen Findlinge über seinen Wasserspiegel hervorragen oder dicht unter ihm eine Gefahr
für den unkundigen Bootsfahrer bilden.
An den tiefen Stellen des Sees hat sich wie im Kaminsee die Maräne erhalten. Die Inseln, von denen die größten Eichwerder, Birkwerder und
Buchenwerder heißen, weisen auch Steinpackungen auf. Die Ufer des Sees wie seiner Inseln zeigen ein sehr wechselndes Aussehen, aber wenig
Rohr und Schilf. Der See mit seinen waldbestandenen Inseln hat eine reiche Vogelwelt: Flußregenpfeifer, Uferläufer, Flußseeschwalbe,
Gänsesäger, Reiherenten und den seltenen Polartaucher.
Bodenfunde zeugen davon, daß diese Gegend eine reiche Vergangenheit gehabt hat. Viele alte Grabanlagen sind zerstört, und wir wissen nicht,
welcher Zeit sie angehörten; aber viele sind noch erhalten und vielleicht viele überhaupt noch nicht entdeckt. Aus der Steinzeit sind Funde
aus den Kaminbergen bekannt. Ein Bronzedepotfund wurde auf der großen Insel im Niedersee gemacht. Ein geschütztes Urnenfeld befindet sich
im Übergangstale vom Kamin- zum Niedersee. Ein alter Wendenwall liegt am Westufer des Niedersees, ein anderer auf dem Buchenwerder im
Papenzinsee. Ein Schwert zeugt davon, daß die Wikinger auf ihren Fahrten von der Ostsee im Tal der Grabow bis in diese Gegend vordrangen.
Zwei Einbäume wurden von Fischern aus dem Kaminsee herausgeholt, und sie behaupten, daß in diesem See Pfahlbauten gestanden haben.
Doch alle diese Dinge erschließen sich nur dem kundigen Auge. In der Zwischenzeit haben schaffende Hände Neues erstehen lassen. Ab und
zu erinnern nur noch Flurnamen an die Vergangenheit. So hatte das Gut Eulenkaten in der Nähe des Berges einen recht bezeichnenden Namen.
War doch der Schrei des Uhus nachts in den Wäldern um den Steinberg nicht selten. Es ist daraus die Siedlung Johannishof geworden. Fleißige
Bauern ringen dem Boden mehr ab, als er früher trug.
Diese Siedlung mit ihrem einsam gelegenen Friedhof kann ein Beispiel sein, wie neue schöne Naturbilder entstehen. Sie gewährt auf dem
abwechslungsreichen Gelände mit seinem kleinen See, dem ehemaligen Gutspark, mit manchen seltenen Pflanzen, zutraulichen Schwalben und
Singvögeln den Eindruck traumhafter Stille. Besonders schön ist es, wenn die Allee der Rotdornbäume blüht. Bilder vergangener Tage, durch
vorgeschichtliche Funde geweckt, steigen auf. Leise rauschen im Winde verklungene Sagen, die gerade in der Gegend des Steinberges zahlreich
zu finden sind.
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