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1. Von Schlawe nach Pollnow
Von E. Hasse
Wenn man von Schlawe aus über Marienthal nach Süden wandert, kommt man in ein breites Wiesental, das nach dem hindurchfließenden
Bächlein Krebsbachtal heißt. Geologisch gesehen ist es ein Urstromtal, dessen Ränder die heute bewaldeten Höhen bilden. Hier
erschallt im Sommer der Kuckucksruf, während in den Herbstnächten der Brunftschrei der Hirsche die Waldesstille unterbricht.
Wir wandern zunächst auf der rechten Talseite auf dem schönen Wege, der über Ujatztal, Lupinenhof, Augustenhof und über das
romantische Kusserower Quertal bis an die Stelle führt, wo der Franzosendamm das Krebsbachtal durchquert. Gen Westen hinter
den Wäldern auf der Höhe liegen die Orte Quatzow und Kusserow, während von Osten die Häuser von Quäsdow herübergrüßen.
Vor hundert Jahren war das ganze Tal noch sumpfig und unwegsam und nur an den höher gelegenen Teilen von Moorwald und Wiesen
bedeckt. Nur auf einzelnen künstlichen „Wällen“ konnten die Bauern in das sumpfige Gelände vordringen, um das kärgliche Heu
von ihren Wiesenstücken zu ernten. Es ist daher erklärlich, daß aus jener Zeit Geschichten und Sagen zu uns herüberklingen,
die von versunkenen Wagen und Tieren, von Nebelgeistern und Irrlichtern erzählen. Beim Torfstechen gemachte Funde von Holz-
und Eisenteilen, von Pferdeköpfen und Tierknochen bestätigen, daß das Moor damals ein gefährliches Gebiet war, bis dann in den
Jahren 1882/83 mit der Anlage des neuen Krebsbaches die Trockenlegung begann.
Nur an einer Stelle muß auch schon in frühester Zeit eine Verkehrsmöglichkeit quer durch das Tal bestanden haben. Südlich von
Bornemannshof, an der linken Talseite, liegt nämlich eine größere Sandfläche, die den Namen Brodd (Furt) führt. Ganz in den Nähe
befindet sich heute auch die Wiese Noat (Nord), die als besondere Zierde den bekannten Riesenwacholder trägt. Wandert man von
dieser Stelle auf der Moordrift am Talrande nach Süden, so trifft man beim „Höfken“ oder „Höfkenborn“ auf Mauerreste, die von dem
Vorwerk „Moorhöfken“ stammen, das im Jahre 1828 abgebrochen worden ist. Dann kommt man an den Franzosendamm, den die Jannewitzer
Bauern nach 1807 herstellen mußten, um für die Feinde eine Verbindung zwischen Wusterwitz und Suckow zu schaffen.
Besonders schön ist das Talrandgehänge westlich von Jannewitz. Hier sind die Hügel im Mai und Juni von dem goldgelben Blütenmeer
des Ginsters bedeckt. Hier liegt auch der Waldteil „Alte Mühle“, der mit seinen sprudelnden Quellen, seinem Vogelsang und seiner
dauernd wechselnden Blumenpracht im Frühling und im Sommer ein beliebtes Ausflugsziel bildet. Auf dem kalkhaltigen Boden wachsen
Leberblümchen, gelbe Anemone, Sanikel, Christophskraut, Steinbeere und Hexenkraut. Im Herbst dagegen wird die „Alte Mühle“ gemieden,
denn phosphoreszierendes, vom Pilzgeflecht des Hallimasch durchwuchertes Erlenholz hat dann schon manchen Wanderer erschreckt.
Bei der Weiterwanderung trifft man immer wieder auf plätschernde, springende, rauschende Quellwasser. Sie kommen fast alle aus
größeren Becken her, die offenbar in der letzten Eiszeit durch Randstrudel des abstürzenden Schmelzwassers am Urstromtal geschaffen
worden sind. Besonders sehenswert ist eine stark sprudelnde Quelle, deren Wasser jahraus, jahrein eine Temperatur von 8 - 9 Grad
Wärme hat. Sie heißt der Kochbrunnen.
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In dem südlichen Teil des Krebsbachtales, das hier stark verbreitert ist, liegt das größte pommersche Naturschutzgebiet, das
Jannewitzer Moor (auch Wusterwitzer Moor genannt). Im Gegensatz zu den anderen Moorflächen des Tales, die aus Niederungsmoor
bestehen, ist es aus schwammigen Torfmoosen und Wollgras aufgebaut und daher ein Hochmoor. Charakteristisch für den inneren Teil,
der sehr sumpfig ist, sind die zwerghaften Moorkiefern, die kaum mannshoch und doch über 100 Jahre alt sind. In den Randgebieten
des Moores wächst die Zwergbrombeere oder Multbeere, ein sehr seltenes Gewächs, das aus der Eiszeit stammt. Im Sommer ist hier das
Revier der Kraniche, die dann mit ihrem hellen Trompetenruf das Tal erfüllen. Ein Kranichpaar brütet jedes Jahr im nahegelegenen
Schilf des völlig versumpften Gleifsees, in dessen buschigen Randgebieten auch Auerwild vorkommt.
Auf den südlichen Randhöhen findet man in der Hohenzollerschen Forst häufig alte Kohlenmeilerstellen, auch mehrere Hügelgräber und
andere vorzeitliche Anlagen. Eine besondere viereckige Wallanlage auf den Karitbergen, in deren Mitte ein großer Findling liegt,
hat neuerdings den Namen „Opferstätte“ erhalten.
Wir befinden uns nun schon südlich der Straße, die von Jannewitz nach Klarenwerder führt, und gelangen nach kurzer Zeit bei der
Försterei Sandhof an den schön gelegenen Chomitzsee. Schon beim Betreten des Krebsbachtales in der Nähe von Marienthal konnte man
fern im Süden als Teil einer Randmoräne eine bewaldete Höhe erkennen, die über ihre Umgebung hinausragt. Das ist der Chomitzberg,
der seinen Namen von der tennenartig abgeplatteten Kuppe erhalten haben soll.
Von der Försterei Sandhof aus läßt sich der Berg bequem ersteigen. Zwischen schattigen Buchen schreitet man in einer talartigen
Senke aufwärts und genießt von der Höhe einen herrlichen Rundblick nach Westen und Norden. Steilab fällt der Nordhang zum Chomitzsee,
der 60 Meter tiefer liegt. Blank liegt der See unter uns, grünlich schimmernd, blau, rötlich, schwarz oder hell, je nach Himmelsfarbe
und Tageslicht. Haubentaucher und Bläßhühner tummeln sich auf der glatten Fläche, und im Schilf lärmen die Rohrspatzen. Auch von der
Försterei Sandhof hat man einen wundervollen Blick auf See und Berg.
Hinter dem Chomitzsee liegt Klarenwerder, das als Vorwerk von Krangen im Jahre 1667 von Adam von Podewils gegründet worden ist. Mit
seinen mächtigen Buchen und Eichen, die unter Naturschutz stehen, seinen grünen Wiesen und seinem rauschenden Grabowwehr bildet es
in seiner Abgeschiedenheit ebenfalls ein schönes Fleckchen unserer pommerschen Heimaterde.
Die Fortsetzung des Krebsbachtales nach Süden bildet das obere Grabowtal. Schon befinden wir uns im Übergangsgebiet zum pommerschen
Landrücken. Auf der Wanderung über Krangen nach dem Süden haben wir rechts und links Ausblicke auf die Höhen, die dann später das
Städtchen Pollnow ganz einrahmen; mit Recht wird der Ort „die Stadt zwischen den Bergen“ genannt.
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