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52. Der Tranberg.
Früher wohnten in Pollnow sehr viele Schuhmacher. Auf allen Jahrmärkten im weiten Umkreise stellten sie
ihr selbstgefertigtes Schuhzeug zum Verkaufe aus und hatten auch großen Absatz; denn ihre Ware war gut
und haltbar und vor allem wasserdicht, weil die Meister beim Schmieren den Tran nicht sparten. Den mußten
sie aber auf einem Fuhrwerk von Stolp heranschaffen, und das war bei den schlechten Landwegen jedesmal
eine weite und beschwerliche Reise. Um die Unkosten zu verringern, taten sich darum stets mehrere zusammen
zu einem gemeinsamen Einkauf.
Nun hatten wieder einmal einige Meister die Fahrt nach Stolp gemacht und ein großes Faß Tran gekauft,
auch ein Fläschchen Schnaps nicht vergessen, um sich stärken zu können, wenn sie - was häufiger vorkam -
zur Schonung der Pferde eine Strecke zu Fuß neben dem Wagen herlaufen mußten. Es herrschte schon ziemliche
Dunkelheit, als sie endlich im Velliner Walde nahe bei Pollnow waren. Aber in ihrer Freude, die mühselige
Reise bald hinter sich zu haben, machten sie am letzten Berge noch einmal Rast, setzten sich an den Wegrand
und ließen die Schnapsflasche einigemal kreisen. Dabei achteten sie gar nicht auf das Glucksen und Plätschern,
das am Wagen hörbar wurde.
Schließlich besannen sie sich doch auf die Pflicht zur Heimkehr und begaben sich zu ihrem Fuhrwerk, um stolzen
Einzug ins Städtlein zu halten. Da mußten sie nun die betrübliche Entdeckung machen, daß sie um den Preis
ihrer Mühe, den kostbaren Tran, betrogen waren. Ihre Laterne zeigte ihnen gerade noch, wie er im Sande
versickerte.
Das gab eine stille Heimkehr, zu Hause einen bösen Empfang und ein großes Gelächter in der Stadt. Die Stätte
ihres Unglücks aber hieß zu ihrer geringen Freude seither Tranberg.
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53. Die „Ottenkul“ im Pollnower Unterwald.
Westlich der Schlawer Chaussee, drei Kilometer von Pollnow entfernt, liegen im Unterwald zwei Seen, der Große
und der Kleine Jüning. Von dem Jüning zieht sich eine Schlucht durch den Wald, die heißt bei allen Leuten Ottenkul.
Über die Entstehung dieses Namens erzählt man folgendes:
Ein früherer Pächter dieses Sees hatte in den Abfluß des Jüning einen Fischkasten eingebaut, in dem er die
gefangenen Fische bis zum Verkauf aufbewahrte. Nun merkte er aber bald, daß ihm immer wieder Fische gestohlen
wurden. Er lag deshalb oft auf der Lauer, aber er konnte den Dieb nicht fassen. Da sicherte er den Fischkasten,
indem er rundherum alte Sensen und eiserne Spitzen anbrachte; die sollten dem Dieb das Stehlen unmöglich machen.
Aber nun geschah ein Unglück. In der Nacht kam der Dieb wieder, um sich billige Fische zu holen. Dabei drangen
ihm die scharfen Eisen in den Leib und verletzten ihn schwer. Trotz der großen Wunden schleppte er sich noch
in die Schlucht. Dort brach er zusammen und starb. Der Dieb hieß Ott, und die Waldschlucht nennt man seither
Ottenkul.
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