Pollnow

Sagen und Erzählungen in und um Pollnow


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38. Wie der Gesundbrunnen am Heiligen Berge seine Heilkraft verlor.

Früher wohnte in Pollnow kein Doktor wie in andern Städten. Die Leute in der Stadt sagten, sie könnten keinen gebrauchen. Das war ja richtig; denn wenn sie krank waren, so holten sie einfach Wasser von der heiligen Quelle. Das tranken sie oder wuschen sich darin und wurden wieder gesund. Darum nannten sie die Quelle ja auch Gesundbrunnen.
Nun wohnte einmal in der Stadt eine Frau, deren Ziege war krank. Da dachte sie, was für Menschen gut sei, das müßte auch dem Vieh helfen, und wollte die Ziege mit dem Wasser aus dem Gesundbrunnen heilen. Weil sie aber zu bequem war, es nach Hause zu tragen, führte sie das kranke Tier zu der Quelle und wusch es darin. Die Ziege wurde auch wirklich gesund.
Aber weil nun die Quelle verunreinigt war, hatte sie ihre Heilkraft verloren. Nun mußten die Leute bei Krankheiten auch einen Doktor holen und waren froh, als einer hier wohnen blieb.

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39. Der Glücksstein vom Heiligen Berge.

Auf einem der vielen Bauernhöfe bei Pollnow wohnte vor langen Jahren ein Bauer, der in seiner Wirtschaft viel Unglück hatte. Bald hatte er Mißwachs auf dem Felde, bald Krankheit bei dem Vieh, bald einen Unfall bei seiner Arbeit. Er konnte anfangen, was er wollte, er kam nicht vorwärts und geriet allmählich immer mehr in Schulden.
Einmal war ihm wieder ein Pferd totgeblieben, und er schaute in den Nachbardörfern umher, ob er nicht ein geeignetes und billiges Tier als Ersatz bekommen könnte. Bei einem dieser Gänge wurde es spät; es war Nacht, als er sich auf den Heimweg begab. Um sich den Weg abzukürzen, ging er über den Heiligen Berg. Als er auf der Höhe war, sah er auf der Stelle, wo früher eine Kapelle gewesen sein soll, ein Licht; aber es war dabei kein Mensch zu sehen. Er blieb stehen und lauschte; doch nur das leise Rauschen des Windes war zu hören. Da fiel ihm ein, daß die Leute erzählten, auf dem Berge wären manchmal Geister. Ihm wurde unheimlich zumute, und schneller eilte er vorwärts.
Als er den Berg fast hinter sich hatte, sprach plötzlich eine dumpfe Stimme: „Nimm das mit!“ Dabei fiel ihm etwas vor die Füße, und das Licht war verschwunden. Im ersten Schrecken wollte er fortlaufen, doch war er wie gelähmt. Schließlich dachte er: „Ich habe ja nichts Böses getan; was soll mir denn geschehen?“ und bückte sich, um zu sehen, was ihm zugeworfen war. Er fühlte mit der Hand einen Stein; den hob er auf und steckte ihn in die Tasche, um ihn zu Hause genauer zu betrachten.
Aber zu Hause sah er, das es nur ein Stück von einem Ziegelstein war, wie man es auf Schutthaufen findet. Zuerst wollte er es fortwerfen; doch dann besann er sich darauf, daß ein Stein vom Heiligen Berge ja Glück bringen solle, und vergrub ihn unter der Schwelle seines Viehstalles. Von nun an schien es, als wäre in seiner Wirtschaft alles verwandelt; die Felder trugen gut, und das Vieh gedieh aufs beste. Er hatte Glück bei allem, was er anfing, und kam allmählich zu Wohlstand. Es wurde bei ihm zum festen Glauben, er verdanke sein Wohlergehen nur dem Stein vom Heiligen Berge, und er blieb dabei, auch wenn die Nachbarn deshalb über ihn lachten.

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