vorherige Seite
30. Die Raubritter an der mittleren Grabow.
Im Mittelalter trieben die hinterpommerschen Städte, besonders Stolp, Schlawe, Köslin und Kolberg, einen
schwunghaften Handel mit der großen See- und Handelsstadt Danzig. Oft zogen auf der alten Landstraße, die
durch die ostpommersche Küstenniederung führte, die Planwagen der Kaufleute dahin, beladen mit Salz und
Salzfischen, Tuchen, Wolle, Wachs, Bier, Wein und anderen Waren. Mit begehrlichen Augen sahen so manche
verarmte hinterpommersche Edelleute, denen es trotz ihres stolzen Namens oft an den notwendigen Dingen
fehlte, ihnen nach. „Reiten und Rauben ist keine Schande, das tun die Besten im Lande“, dachten sie dann
und lagen manchmal in den Schluchten der Wälder oder an den Engpässen durch Sumpf und Moor im Hinterhalt,
um einen Wagenzug abzufangen. Da brachte man hin und wieder wohl gute Beute heim hinter die Burgwälle,
oft aber auch nur böse Wunden; denn die Söldner, welche die Kaufleute zum Schutze ihrer Waren mitsandten,
waren starke und furchtlose Leute und hieben gar wacker drein.
Die Bürger der Städte verstanden erst recht keinen Spaß, wenn sie in ihrem Handel gestört oder um Hab und
Gut gebracht wurden. Mit manchem Schnapphahn, den ihre bewaffneten Haufen fingen, machten sie kurzen Prozeß
und legten ihm rasch den Kopf vor die Füße.
Nun lebte da ein Ritter Marten, der war den Danzigern feind und benutzte jede Gelegenheit, um ihnen zu schaden.
Er bekam einen Verbündeten in dem Bischof Martinus, der auch einen alten Groll gegen die Danziger hatte und
deshalb dem Ritter Unterschlupf gewährte und ihn bei seinen Streifen gegen sie unterstützte. Sehr bald fanden
diese beiden auch großen Anhang unter den hinterpommerschen Adligen, die allein viel zu schwach gewesen wären,
um etwas Bedeutenderes gegen die Kaufleute zu unternehmen. Unter ihnen waren zwei Herren von Puttkammer, der
Ritter Thomas Briese, ein Podewils u. a.
Jetzt kamen für die Kaufleute schlechte Zeiten. Diese starke Räuberbande verübte häufige Überfälle, und die
Danziger hatten, ebenso wie die andern Städte und besonders die Kolberger, große Verluste. Es kam aber noch
schlimmer.
Der Ritter Simon Lode hatte in der Gollnower Heide einen Stettiner Kaufmann geworfen und ihm seine Waren
abgenommen. Er wurde gefangen und vor Gericht gestellt. Aber da man ihm nichts Gewisses beweisen konnte,
setzte es seine zahlreiche und mächtige Freundschaft durch, daß er freigelassen wurde.
Kurze Zeit darauf wollte Ritter Lode dem Kamminer Bischof Stadt und Gut Bublitz für 3000 Gulden abkaufen und
erbot sich, diese große Summe sofort in Gold zu zahlen. Da meinten die Kolberger, so viel Geld könne der Lode
nur durch zahlreiche Räubereien zusammengebracht haben, und sicher sei er es auch gewesen, der ihre Kaufleute
überfallen habe. Sie schickten ihren Stadthauptmann, Hans von Schlieffen von Soltikow, mit einem bewaffneten
Haufen aus, und es gelang, den Lode mit seinem Knecht zu fangen.
|
nächste Seite
Nun hielten die Bürger in ihrem Zorn über die Gewalttaten selber Gericht. Da die Gefangenen im Verhör nichts
bekannten, wurden sie gefoltert; aber standhaft ertrugen sie alle Qualen. Trotzdem ließen die Kolberger,
die sich vor dem großen Anhang des Ritters nicht fürchteten, beide 1512 hinrichten.
Jetzt war die Wut unter den Adligen groß; sie schwuren den Bürgern Vergeltung. Der Bruder des Enthaupteten,
Ritter Henning Lode, sagte mit seinen Genossen den Kolbergern Fehde an und bekämpfte sie, wo er konnte. In
ganz Hinterpommern wütete ein schlimmer Bandenkrieg. Überall hörte man von Überfällen, Räubereien und
Brandschatzungen.
Einen ihrer Schlupfwinkel hatten die Edelleute an der mittleren Grabow, wo ja die Podewils mehrere feste
Schlösser besaßen. Hier entlang ging die alte Handelsstraße, und die bewaldeten Höhen am Grabowtale mit
ihren zahlreichen Schluchten waren wie geschaffen, um sich in den Hinterhalt zu legen.
Einst hatten sie wieder einen Kaufmann überfallen und gefangen mitgeschleppt. Der Überfall war diesmal
besonders lohnend gewesen, denn der Beraubte hatte einen großen Vorrat der heiß begehrten und hoch bezahlten
Tuche bei sich. Nun lagerten die Ritter zufrieden in einer Burg, ließen es sich bei Essen und Trinken gut
gehen und teilten dabei ihren Raub. Sie maßen sich ihren Anteil aber nicht mit Ellen, sondern mit Spießen
zu. Der Gefangene mußte dieses Messen, bei dem man ihm kein Geld für die Ware zahlte, mitansehen und konnte
sich nicht enthalten zu sagen: „Liebe Junker, hätt’ ich gewußt, daß hier so lange Ellen gemessen werden,
so wäre ich nicht anhero zu Markt gekommen.“
Diese heillosen Händel zwischen Städten und Rittern zogen sich durch zwanzig Jahre hin. Der Kaiser mußte
eingreifen; viele Mitglieder pommerscher Geschlechter verfielen der Reichsacht, wie die Bandemer, Golzen,
Puttkamer u. a.; Schwert, Strang und Rad räumten damals grimmig unter dem hinterpommerschen Adel auf, bis
Henning Lode 1531 einen Vergleich einging und weiteren Feindseligkeiten entsagte.
Damit nahm das Faustrecht auch in unserer Gegend ein Ende.
Inhalt
|