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22. Eine Diebin wird gebannt.
Vor fünfzig Jahren war in Pollnow eine Frau, die konnte allerlei Krankheiten besprechen; sie kannte viele
Zaubersprüche, auch den Diebssegen. Wenn der über einen Gegenstand gesprochen wird, so ist der Dieb gebannt
und kommt nicht von der Stelle. Er ist „festgemacht“. Er kann sich nicht rühren, bis er „losgesprochen“ wird.
Dies muß aber bis Sonnenaufgang geschehen sein, sonst wird der Dieb schwarz.
In einem Sommer kam dieser Frau immer Gemüse aus dem Garten fort. Wenn sie auch aufpaßte, sie bekam den Dieb
nicht zu fassen. Da sprach sie heimlich den Diebssegen über das Gemüse.
Als sie nun am andern Morgen in den Garten ging, um nachzusehen, traf sie ihre alte Nachbarin, die stand
gebückt beim Kohl und konnte sich nicht aufrichten und nicht rühren.
Sie sprach die Diebin rasch los. Es war auch die höchste Zeit, weil sie etwas spät gekommen war und die Sonne
gerade aufgehen wollte. Die Frau wurde schon etwas schwarz im Gesicht.
Sie ließ die Diebin jetzt ruhig nach Hause gehen; aber diese war von der Zeit an krank. Sie ist auch nicht
mehr gesund geworden, lag lange Zeit zu Bett und starb dann.
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23. Wie man sich den Wechseltaler beschafft.
Wer den Wechseltaler besitzt und beim Einkauf in Zahlung gibt, hat ihn nachher wieder in der Tasche. Man
beschafft ihn sich auf folgende Weise:
In der Neujahrsnacht steckt man eine Katze in den Sack, geht zur Kirche und läuft dreimal schweigend um
sie herum.
Ist man einmal herum, so steht ein Mann vor der Kirchtür, das ist der Böse. Er fragt, was man im Sack hat.
Darauf darf jedoch nicht geantwortet werden, sondern man läuft zum zweiten Male herum. Jetzt fragt der Böse,
was man für die Katze haben will. Man darf nur antworten: „Den Wechseltaler“. Nun läuft man zum dritten Male
um die Kirche. Der Böse gibt jetzt den Taler und nimmt dafür den Sack mit der Katze. Er zerreißt beides in
viele Stücke. Währenddessen muß man sich rasch in die Kirchentür stellen, sonst wird man auch zerrissen.
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