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14. Ein Rotjackt hilft buttern.
Eine junge Bauersfrau konnte immer keine Butter fertig bekommen. Sie mochte es beim Buttern anstellen,
wie sie wollte, immer war im Butterfaß nur Schaum. Zuerst wunderte sich ihr Mann darüber; dann murrte er,
und zuletzt fing er an zu schelten; denn er meinte, sie wäre Schuld daran, weil sie sich keine rechte
Mühe gäbe. Die Frau wurde über ihr Mißgeschick zuletzt ganz verzweifelt. Als ihr die Butter wieder einmal
nicht geriet, fing sie bitterlich an zu weinen.
Da raschelte es plötzlich in einer Ecke und als sie hinsah, erblickte sie ein kleines Männlein, das hatte
eine rote Jacke an. Es kam langsam näher und sprach: „Liebe Frau, warum weinst du?“ Die Frau konnte vor
Staunen zuerst gar nicht sprechen, und das Männlein fragte noch einmal: „Warum weinst du?“ Da antwortete
sie: „Ich krieg doch immer keine Butter fertig; soll ich darüber nicht weinen?“ Da sagte das Männchen:
„Lege ein Stück rotes Zeug in das Butterfaß, dann wirst du immer Butter bekommen!“
Die Bauersfrau wußte nicht, daß das Männlein einer von den Rotjackten war, denn sie hatte noch nie einen
gesehen. Darum sagte sie: „Ach, du kleiner Mann, du verstehst doch nichts vom Buttern; was soll so ein
Lappen helfen?“ Das Männlein aber tat sehr wichtig und sprach: „Tu nur, was ich dir sage; es wird schon
helfen! Ich bin doch der Rotjackte!“
Nun holte die Frau wirklich ein rotes Läppchen herbei und legte es in das Butterfaß. Nach einem kleinen
Weilchen hatte sie richtig schon fertig gebuttert. Sie öffnete das Faß und sah zu ihrer Freude einen ganz
großen Klumpen Butter, die war dazu noch von der besten Sorte.
Als ihr Mann die schöne Butter sah, war er sehr zufrieden und meinte, sein Schelten hätte geholfen. Die
Frau aber wollte das nicht auf sich sitzen lassen und erzählte ihm, wer ihr geholfen hatte. Da sagte ihr
Mann: „Wenn dir der Rotjackte hilft, dann muß es dir schon glücken. Aber es braucht‘s keiner weiter zu wissen.“
Von jetzt an hatte die Frau keine Mühe mehr mit dem Buttern; es geriet ihr jedesmal. Hin und wieder kam
das Männlein und sah ihr zu und bat dann auch um ein Stückchen Butter. Das gab die Frau ihm gern zum Dank.
Denn wenn sie jetzt mit ihrer Butter auf den Markt kam, konnte sie den höchsten Preis fordern; trotzdem
liefen die Hausfrauen ihr schon entgegen und rissen sich darum, so gut schmeckte sie.
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15. Eine Rotjackte rächt sich.
Es war zwei Tage vor Weihnachten. Alle Hausfrauen waren eifrig beim Backen. Der Backofen stand etwas abseits,
wo hinter den Gärten das Feld anfing. Rundum standen kahle Kirschbäume, und hinter dem alten Bretterzaun
wuchsen ein paar krüppelige Tannen. Trotzdem es Winter war, wurde der Backofen jetzt nicht kalt. Tag und
Nacht wurde gebacken; wenn eine Mutter das Brot aus dem Ofen zog, hatte eine andere ihren Teig schon wieder
bereit. Holz und Strauch wurden gebracht, und das Feuer brannte von neuem. Das Heizen besorgten aber meistens
die Männer oder die jungen Burschen; sie hatten jetzt im Winter ja Zeit genug.
Nun war es schon spät in der Nacht, da heizte ein junger Bursch den Ofen, während zu Hause seine Mutter
den Brotteig knetete. Er steckte tüchtig Strauch hinein; die Glut leuchtete durch die Nacht, und er saß
davor und wärmte sich. Da kam hinter den Tannen ein kleines Mädchen hervor, das war mit einer roten Jacke
bekleidet. Das Mädchen fing an zu tanzen und zu hüpfen; bald war es vor ihm, bald hinter ihm, bald in der
Glut, bald auf dem Backofen. Dabei machte es so drollige Sprünge und verrenkte den Körper so komisch, daß
der Bursch zu lachen anfing. Dann verspottete er es und machte ihm nach. Das kleine Mädchen sprang immer
wilder herum, und er merkte, daß es zornig war. Nun ärgerte er es noch mehr und warf zuletzt mit Knüppeln
nach ihm. Da drohte es mit der Faust und verschwand plötzlich.
Am nächsten Tage erzählte er den andern sein Erlebnis und machte vor, wie das Mädchen getanzt hatte. Da
sagten die Alten: „Das war eine Rotjackte; das ist nicht gut, daß du sie geärgert hast.“ Und sie hatten
Recht; denn von der Zeit an war es mit dem Burschen nicht richtig. Er wurde krank und konnte nicht mehr
arbeiten. Zuletzt war er nur noch Haut und Knochen und so schwach, daß er beständig im Bett bleiben mußte.
Nach einem Jahr, genau an demselben Tage und um dieselbe Stunde, in der ihm die Rotjackte gedroht hatte,
starb er.
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