Pollnow

Sagen und Erzählungen in und um Pollnow


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12. Die Rache der Unterirdischen in Sydow.

Eine Bauersfrau in Sydow wunderte sich darüber, daß ihre stattlichen Kühe trotz des guten Futters schon lange so wenig Milch gaben. Endlich fragte sie die Dienstmagd: „Mädchen, warum gibt es immer so wenig Milch? Die Kühe bekommen doch gutes Futter und haben sonst doppelt soviel gegeben.“ „Ja, Mutter“, entgegnete die Magd, „ich habe mich auch schon gewundert. Wenn ich beim Melken die Milch in den Milcheimer geschüttet habe und drehe mich kaum einmal um, so ist schon die Hälfte davon verschwunden.“
„Dann tun das die nichtsnutzigen Dinger, die Unnereerdsken“, rief die Bäuerin erbost, „aber wartet nur!“ Damit lief sie in die Küche und setzte einen großen Kessel mit Wasser auf den Feuerherd. Als das Wasser kochte, trug sie den Kessel in den Kuhstall. Dort war in einer Ecke der Fußboden wie von einem Maulwurfe frisch aufgewühlt. Hier goß sie das brühheiße Wasser aus und sagte: „Die haben ihr Teil, die werden nicht wiederkommen!“ Vergnügt ging sie darauf wieder in die Küche zurück.
Nicht lange darauf kam die Magd in den Stall. Da fühlte sie unten am Rock ein leises Zupfen und sah eine kleine Frau, kaum eine Spanne hoch. Die flüsterte: „Nimm alles, was dir gehört und mach, daß du vom Hofe kommst!“ Die Magd eilte auf ihre Kammer und sammelte voll Hast ihre Habseligkeiten zusammen. In ihrer Angst und Aufregung übersah sie manches. Doch da stand plötzlich die kleine Unterirdische neben ihr und zeigte ihr die vergessenen Sachen. Dann sagte sie: „Die unbarmherzige Bäuerin hat mir das Kind in der Wiege verbrannt. Dafür wird sie jetzt bestraft. Jetzt aber mache, daß du wenigstens gerettet wirst!“ Dabei schob sie das Mädchen zur Tür hinaus.
Kaum war die Magd vom Hofe herunter, so schlugen aus allen Gebäuden auch schon die hellen Flammen. Niemand wurde gerettet.

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13. Die Rotjackten.

Alte Leute wissen noch von den Rotjackten zu erzählen, die früher hier und da bei Bürgern und Bauern in den Schlupfwinkeln der Keller, Böden, Ställe und Scheunen wohnten. Das waren kleine Leute von der Art der Heinzelmännchen, kaum mehr als fußhoch. Sie trugen rote Jacken und Kappen. Danach hatten sie auch ihren Namen bekommen.
Die Rotjackten halfen dem Besitzer, bei dem sie wohnten, bei der Arbeit und mehrten ihm Hab und Gut. Aber es wurde auch erzählt, daß sie dies oft von den Feldern und aus den Vorratskammern der Nachbarn stahlen. Doch nicht immer war ihre Hilfe ein Unrecht gegen andere. Wo sie wohnten, gedieh in Haus und Hof alles auf wunderbare Weise. Wenn jemand in der Wirtschaft besonders gut vorwärts kam, sagten neidische Nachbarn wohl: „Dei hätt uk ne Rotjackte!“
Für ihre Hilfe mußte man den Rotjackten auch „gut tun“, sonst zogen sie fort oder fügten Menschen Schaden zu.

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